Die SyrerInnen haben niemals eine ausländische Militärintervention in einem Land begrüßt. Als sich die SyrerInnen jedoch Unterdrückung ausgesetzt sahen, waren sie gezwungen aus dem Glauben an eine gerechte Sache gegen diese Unterdrückung aufzubegehren. Das Regime des Diktators beantwortete dieses Aufbegehren mit Schüssen, Folter, willkürlichen Verhaftungen; sogar Nahrungsmittel und die Sicherheit des eigenen Heims waren nicht mehr heilig. Seit Beginn der Syrischen Revolution hat das Regime Panzer und enorme Waffengewalt gegenüber DemonstrantInnen eingesetzt, die Methoden des Tötens und der Gewalt wurden jedoch noch brutaler. Willkürliche Verhaftungen durch Sicherheitskräfte wurden von standesrechtlichen Erschießungen abgelöst, aus dem Einsatz von Gewehrfeuer wurde der fortwährende Einsatz von Kampfflugzeugen, ballistischen Geschossen und schwerer Artillerie – bis zu dem Moment, an dem Chemiewaffen zum Einsatz kamen. Das Regime hat nie aufgehört, die Welt im Einsatz seiner Waffen herauszufordern, kann es sich doch auf die Unterstützung von Russland, China und Iran berufen. Die Welt ist dabei bislang ein stummer Zeuge geblieben. Das andauernde Morden des syrischen Volkes und die systematische Zerstörung des syrischen Staates durch das Regime sind der Beweis, dass die Menschheit versagt hat, sich vor einem Tyrannen zu schützen.
Aktuell stehen die Zeichen auf einem baldigen US-Militärschlag gegen das Regime, der jedoch nur die „rote Linie“ des Chemiewaffeneinsatzes betreffen würde. Assad hat diese Linie bereits mehrfach herausgefordert. Offensichtlich ist das Interesse der USA und des Westens nur darin begründet, internationale Interessen & Macht durchzusetzen. Der Militärschlag entspricht nicht dem ernsthaften Interesse, ein Volk zu retten, dass Freiheit und Würde anstrebt – und dafür jeden Tag aufs Opfer zu beklagen hat.
Ein begrenzter, warnender Militärschlag gegen Assad wird zu nichts weiter als einem Anstieg der Gewalt von Seiten des Regimes führen. Es würde Assad zudem in seiner Annahme bestärken, dass niemand seinem Morden Einhalt gebieten wird. Falls dieser Militärschlag tatsächlich den künftigen Gebrauch von Chemiewaffen verhindern könnte, wäre er trotzdem nicht mehr als eine Erlaubnis der Weltgemeinschaft, das Morden mit nicht-chemischen Waffen fortzuführen. Letztendlich wird niemand außer den SyrerInnen den Preis der Militärintervention zahlen.
Dies ist ein schwieriger Moment, ein Wendepunkt in der Geschichte der SyrerInnen. Ein hoher Grad an Verantwortung ist nun von Nöten, von uns wie von der gesamten Welt. Weisheit, nicht Egoismus und Zögerlichkeit, ist nun gefragt.
Jeglicher Angriff – mit Sorgfalt und Präzision – gegen das syrische Regime muss zum Ziel haben, die staatliche Luftwaffe, Artillerie, das Raketenarsenal zu vernichten, die fortwährend gegen zivile Gebiete eingesetzt werden. Die Auswirkungen dieser nicht-chemischen Waffen entsprechen beinahe denen von Massenvernichtungswaffen. Ein Militärschlag muss die Zivilisten und deren Sicherheit als oberste Priorität ansehen und gewichten, darf keinesfalls auf deren Kosten gehen. Jeglicher Militärschlag sollte in enger Kooperation mit der syrischen Opposition erfolgen – sowohl der politischen als auch der bewaffneten. Ferner sollte diese Opposition ausreichend unterstützt werden. Derart könnte eine bessere Durchführung des Militärschlages sichergestellt werden. Eine derartige Einbindung ist essentiell, denn dadurch entsteht Hoffnung bei den SyrerInnen – deren Verzweiflung aktuell nur die Basis von Extremismus bildet.
Als AktivistInnen müssen wir nun verantwortungsvoll zusammenstehen, um unsere nationalen Interessen und humanitären Nöte auszudrücken. Wir müssen gegenüber der Welt zum Ausdruck bringen, dass Ignoranz gegenüber dem Schicksal eines Volkes der Absage der Menschlichkeit gleichkommt. Eine Intervention in Syrien muss jedoch die syrischen Stimmen und Bedürfnisse hochachten, dabei muss auch ihre zukünftige Souveränität bedacht und gewichtet werden.
Die Zeit des Sterbens hat in Syrien schon zu lange angedauert. Die SyrerInnen warten auf Hilfe von der Welt – doch die Hilfe bleibt weiterhin aus. Eine internationale Gemeinschaft, die all diesem Sterben tatenlos zugeguckt hat, die weiterhin Zeit braucht, nachzudenken, bevor Hilfe und Versorgung angesichts des Chemiewaffenangriffs gestellt wird – diese internationale Gemeinschaft bietet uns nicht viel an Hoffnung.
Trotz allem bleiben wir zuversichtlich, dass die Menschlichkeit noch nicht versagt hat, dass sie eines Tages erwachen wird, heute oder morgen – die SyrerInnen sind der Beweis hierfür.
LCC, 01. September 2013
Diese Erklärung der LCCs wurde vom Adopt a Revolution-Team ins Deutsche übersetzt. Das englische Statement kann hier auf der Facebook-Seite der LCCs abgerufen werden.